Pazifismus, Friedensbewegung und die Ukraine

Der verteidigungsablehnende Pazifismus sowie große Teile der Friedensbewegung sind in ihren Argumentationsmustern nahezu gezwungen, den Aggressor, die Verbrechen der diktatorischen Besatzung und die Folgen völliger Wehrlosigkeit herunterzuspielen oder gar zu leugnen.

Die systematischen Exekutionen, Vergewaltigungen, Plünderungen und Folterungen wie in Bucha geschahen nicht während der Kampfhandlungen, sondern unter russischer Besatzung – ebenso die gezielten Entführungen von Kindern und deren ideologische Umerziehung.

Dies lässt sich durch einen rein pazifistischen Ansatz nicht verhindern. Es führt sogar zu der absurden Unterstellung gegenüber den Opfern, sie hätten sich falsch verhalten: "die NATO Absicht war Schuld" oder sie hätten die russischen Soldaten mit Liebe, Kerzen oder Blumen empfangen sollen.

Hier geht es nicht nur um eine Täter Opfer Umkehr, sondern auch um eine weitreichende Relativierung von Taten, Motiven und Verantwortung des Täters. Statt die Aggressoren klar zu benennen, wird häufig eher das Opfer oder dessen Unterstützer kritisiert, während die Verurteilung der Täter oberflächlich bleibt oder ganz entfällt.

Manchmal entlarven sich die radikaleren Teile dieser Szenen selbst, etwa durch Auftritte bei russischen Propagandasendern wie RT oder Sputnik, durch die unkritische Übernahme russischer Narrative oder durch Teilnahme an propagandistischen Veranstaltungen. Häufiger jedoch bleibt der subtil agierende Teil dieser Gruppen einflussreich und zugleich unerkannt; bestenfalls wird er als "naiv" verharmlost, anstatt ihn als im Sinne des Aggressors argumentierend einzuordnen.

Verharmlosung und Verzerrung reichen so weit wie möglich, ohne dass sich die Akteure offen entlarven. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass sie sich selbst bloßstellen, etwa durch Kooperation mit Russia Today, durch das Verbreiten von Positionen russischer Diplomaten und Politiker, durch obskure "Alternativmedien" oder durch sogenannte "Freundschaftsfahrten" nach Russland.

Der Autor hat persönlich erlebt, wie sich angeblich "linksalternative pazifistische Friedensbewegte" gegenüber Ukrainerinnen und Ukrainern verhalten haben – bis hin zum Wasser ins Gesicht Schütten und Rausdrängen aus Veranstaltungen.

Unser Vorteil im Umgang mit putinistisch affinen Rechtspopulisten und Europagegnern liegt in deren offener Haltung und der Aufmerksamkeit, die auf ihnen ruht. Gefährlich ist aber auch der weniger bekannte Teil: Es ist diese angeblich um Frieden bemühte Szene, die man künftig genauer hinterfragen muss. Welchen Frieden meinen sie eigentlich? Waren sie nicht im Kalten Krieg schon viel kritischer gegenüber den amerikanischen Pershing-2-Raketen als gegenüber der sowjetischen SS-20? Welche Rolle spielten der KGB, der tschechoslowakische und der DDR-Geheimdienst in der alten Friedensbewegung? Wie stark halten sich Mythen und ideologische Einseitigkeit in dieser Szene bis heute?

Die grenzenlose Naivität gegenüber diesen Akteuren muss endlich ein Ende haben. Es ist diese angeblich um Frieden bemühte Szene, die man genauer hinterfragen muss. Welchen Frieden meinen sie eigentlich? Warum wird mit der Forderung nach Frieden immer wieder eine Relativierung des Aggressors mitgeliefert?


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The 4W Model to Identify Agents of Influence