Kritik an der ARD-Sendung “Deutschland wird "kriegstüchtig"
Ein Beitrag des ARD-Kulturmagazins ttt behandelt das Thema „Kriegstüchtigkeit“ und spart nicht mit Klischees, Strohmann-Argumenten und alarmistischer Rhetorik. Man könnte ihn fast für eine Satire auf den Stil der sogenannten „Alternativmedien“ halten, doch er ist ernst gemeint. Bezeichnend, wie so oft, ist dabei nicht nur, was gesagt wurde, sondern auch, was ausgespart blieb. Wir haben einige Highlights zusammengefasst:
Anmerkung: Um die Tonalität dieser Sendung in ihrer Gesamtkomposition tatsächlich zu erfassen, empfehlen wir dringend, sie in voller Länge anzusehen. Der Beitrag dauert ohnehin nicht einmal zehn Minuten, zumindest das kann man ihm anrechnen. Länger könnten wohl viele von uns das ohnehin nicht ertragen. Die Passagen, die unten angeführt werden, liefern nur einen Ausschnitt, sonst wäre der Artikel schlicht zu lang geworden. Ja, es ist erstaunlich, wie viele bemerkenswerte Aussagen man in so einen kurzen Beitrag packen kann. Handelt es sich bei der Sendung um ein Beispiel für die berühmte „False Balance“? Nein, liebe Leserinnen und Leser, dafür ist er schlicht zu einseitig. Haben wir es mit „Bothsidesism“ zu tun? Auch das kann man ausschließen, denn dafür ist das Thema Russland viel zu wenig präsent. Der kritische Blick wird auf Deutschland gerichtet, und das so hart, wie es wohl sonst nur RT und Sputnik könnten.
Die Moderatorin eröffnet die Sendung mit den Worten:
“Deutschland mitten in der Zeitenwende, wie lebt es sich mit der Kriegsgefahr, von der ständig die Rede ist und welchen Preis zahlen wir für den gesellschaftlichen Umbruch der gerade im Gange ist. Kämpfen Töten Sterben, das sind zugegebenermaßen, sehr vereinfacht unterm Strich, die Aufgaben von Soldaten, Kämpfen Töten, Sterben, so ehrlich müssen wir sein, in einem Land, das wieder kriegstüchtig werden soll” Offensichtlich musste der Teil “Kämpfen, Töten, Sterben” gleich zweimal vorkommen, es hätte ihn ja jemand überhören können. Es wird nicht bei diesem ersten Griff in die Klischeekiste bleiben.
Es folgen Ausschnitte aus Bundeswehr Werbespots und dann folgt die Stimme aus dem Off:
“Seit über 3 Jahren soll Deutschland auf einen Krieg vorbereitet werden, den irgendwie keiner will, von dem alle hoffen, dass er nicht kommt, und der doch geradezu herbeigeredet wird. Es beginnt, so sagte es jüngst ein Militärhistoriker, der möglicherweise letzte Sommer, den wir in Frieden verbringen. Kriegsrhetorik.”
Krieg wird herbeigeredet? Was ist denn damit gemeint? “Kriegsrhetorik?” Interessant, was bisher und (Spoiler) auch später nicht erwähnt wird. Die Aggressionen Russlands, die massive tatsächliche Kriegsrhetorik in der russischen Propaganda und der damit verbundene Imperialismus, aber schauen wir weiter.
Dann wird der Soziologe Hartmut Rosa vorgestellt. Manchen wird Rosa noch aus der Vergangenheit in Erinnerung sein, wenn er immer wieder fordert, dass man mit Russland verhandeln solle, und er z. B. im Spiegel den Kommentar: “Die Bellizisten sitzen im sicheren Wohnzimmer” schrieb.
Im ARD-Beitrag wird angekündigt, dass er sich am Begriff “Kriegstüchtig” stört und er meint dazu: „Wenn eine Gesellschaft sich entscheidet, kriegstüchtig werden zu wollen, dann muss sie ihr Verhältnis zur Gewalt auch ändern. Genau genommen muss sie Tötungsbereitschaft herstellen. Wenn ich sage kriegstüchtig, kommt da ein Aggressionsmoment ins Spiel, eine innerliche Umkehr in der Bereitschaft zu töten und zu verletzen und zu zerstören und zu verstümmeln, die ich sehr verstörend finde und die natürlich die potentiell andere Seite, die anderen Seiten, auch als eine Aggressionshaltung interpretieren müssen.“
Stimmt, verstörend ist hier tatsächlich einiges, in erster Linie die Aussagen von Herrn Rosa und der Umstand, dass diese es ohne Widerspruch und Einordnung in den ARD-Beitrag geschafft haben. Diese Aufzählung bis zum “Verstümmeln”, das ist wirklich verstörend, ja, kein anderer Begriff trifft es so gut. Es stellt sich auch die Frage, wenn man schon von “der anderen Seite” spricht, die ja nicht genannt wird, spekulieren wir einmal, es wäre Russland, wie steht’s eigentlich um die Rhetorik der anderen Seite? Dort haben wir wirklich tägliche Kriegsrhetorik, Auslöschungsfantasien gegen die Ukraine und oft auch viele weitere Länder in Europa, im staatlich kontrollierten Fernsehen der Russischen Föderation. Ob man sich in Russland Gedanken macht, wie es “bei der anderen Seite” ankommt?
Die Sendung zeigt dann die tragische Geschichte des Soldaten Meik Briest, der 1999 im Kosovo schwer verwundet wurde, noch heute die Narben davon im Gesicht trägt und 30 Operationen über sich ergehen lassen musste seither. Dazu sagt der Sprecher aus dem Off: “Sein Schicksal steht für das, was die Zeitenwende für die jungen Menschen, die die Bundeswehr jetzt sucht und ausbildet, bedeuten kann. Wie Briest könnte es Hunderttausenden ergehen, am Körper und an der Seele für immer verwundet, wenn unsere Gesellschaft weiter taumelt auf dem Weg in Richtung Konfrontation.”
Ist das nicht ein wenig manipulativ, wie hier argumentiert wird? Unsere Gesellschaft taumelt in Richtung Konfrontation? Hat nicht die russische Diktatur die Ukraine überfallen und bedroht permanent die Europäische Union? Gilt es nicht, eine militärische Konfrontation eben mit der entsprechenden Vorbereitung zu verhindern, weniger wahrscheinlich zu machen, weil der Aggressor abgeschreckt wird?
Wir schauen weiter, was Herr Rosa noch sagen möchte: “Das ist das, was mich an dem Begriff der Zeitenwende stört, geht damit eine Delegitimierung jeder Idee einher, es auf anderem Wege zu versuchen, man kann das diskursiv sehr schön sehen, sobald jemand sagt, lasst uns doch einmal überlegen, ob man doch verhandeln könnte, kommt ganz schnell der Gegenchor: der Typ hat immer noch nicht begriffen, dass Verhandeln sinnlos ist.”
Rosa wirft hier wohl einen Strohmann in den Raum, wie wir das im Diskurs sehr oft erleben.
Waffenlieferungen und Verteidigungsbereitschaft sind kein Widerspruch zum Dialog und zu Verhandlungen und werden auch nicht so gesehen.
Tatsächlich wird und wurde der Dialog mit Russland gesucht und es wurde auch verhandelt, vor der Invasion, während der Invasion. Russland, und das wird offen kommuniziert, besteht auf den Maximalzielen, die Unterwerfung der Ukraine, nicht nur umfassende Annexionen und die Installation eines Marionettenregimes und die Entmilitarisierung, also künftige Wehrlosigkeit der Ukraine. Putin meinte ja kürzlich sogar wieder einmal, dass Ukrainer und Russen ein Volk seien, ihnen so gesehen also die ganze Ukraine gehören würde. Ist all dies Rosa unbekannt oder blendet er dies aus in seiner Bewertung?
Der russische Imperialismus ist nicht nur evident, sondern auch praktisch nicht kompromissbereit.
Am Ende erwähnt Rosa dann doch noch proaktiv Russland: „Das Ziel ist doch auf allen Seiten: Wie verhindern wir einen Großkonflikt, vielleicht so was wie einen nuklearen Krieg oder einen Krieg gegen Russland. Und ich würde sagen, wir verhindern ihn nicht, wenn wir ständig davon reden, dass wir den letzten Sommer in Frieden haben, dass wir nicht mehr in der Nachkriegszeit leben, sondern in der Vorkriegszeit. Das sind nicht Sachen, die ich mir ausdenke, das sind Sachen, die ich den Leitmedien entnehme...“ Ach, die “Leitmedien”, alles klar, aber gut, eines dieser “Leitmedien” hat doch Herrn Rosa ja gerade sehr viel Bühne gegeben, ohne Einordnung, ohne Widerspruch, nicht wahr?
Man kann nur, wie bereits angesprochen, empfehlen, sich den nicht einmal acht Minuten langen Beitrag anzuschauen. Er ordnet sich selbst viel klarer ein, als wir es hier tun könnten, und versucht nicht einmal subtil zu sein, was ihn fast schon wieder erfrischend ehrlich macht, auf eine traurige Weise.
Links:
TTT - Sendung zur “Kriegstüchtigkeit”, ARD, Juni 2025
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/zeitenwende-186.html
“Die Bellizisten sitzen im sicheren Wohnzimmer”, Hartmut Rosa, Der Spiegel, Juli 2022
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bellizismus-und-der-ukraine-krieg-haltet-ein-a-7aa8cd9d-5fe3-4227-b14c-181407f0b9d0
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