Alle betreiben doch Propaganda, oder?

Mit dieser oder ähnlichen Aussagen wird man, wenn man die systematische und strategische Desinformation und subversive Manipulation unseres Informationsraums autokratischer Staaten gegenüber westlichen Demokratien analysiert, immer wieder konfrontiert. Der Westen tut  es doch auch! Was ist mit den Massenvernichtungswaffen im Irak?

Was außer Frage steht und für die ganze Welt gilt: Die Worte von Politikerinnen und Politikern sind mit Vorsicht zu genießen,  natürlich auch in Demokratien. Dann gibt es aber doch Unterschiede, nicht nur, wenn wir Parteien vergleichen, sondern auch Länder. Autokratien, die weder Meinungs- noch Pressefreiheit zulassen, praktizieren Propaganda nicht nur ungehemmt und allumfassend, sondern auch ohne eine Einordnung befürchten zu müssen. Es gibt weder eine Opposition noch freie Medien, welche die Öffentlichkeit über den Stand der Dinge informieren. Das ist ein Grund, warum die westlichen Mächte gar nicht erst so handeln können wie Autokratien, die Konsequenzen sind viel größer, man muss sich vor den Medien, der Öffentlichkeit und letztlich den Wählern verantworten.

Erinnern wir uns an die nicht gefundenen Massenvernichtungswaffen im Irak. Das war sicherlich kein Glanzmoment für den Westen und ist bis heute ein Beispiel, das oft herangezogen wird, um sogenannten Whataboutism zu betreiben, etwa um russische Desinformation zu relativieren.

Tatsächlich wird dabei oft übersehen, dass Saddam Hussein nicht nur in der Vergangenheit chemische Waffen gegen die Kurden eingesetzt hatte, sondern auch bewusst bluffte, insbesondere um den Iran abzuschrecken, was den möglichen Besitz von Massenvernichtungswaffen anging. Um diesen Bluff aufrechtzuerhalten, behinderte er gezielt die Arbeit der UN-Inspektoren, indem er deren Zugang blockierte und Inspektionen verzögerte.

Natürlich rechtfertigt all das keinen militärischen Angriff auf Grundlage falscher Tatsachen. Der Krieg basierte auf widersprüchlichen Informationen und einem gefährlich einseitigen Blick auf die Lage. Dennoch ist dieser Hintergrund relevant, denn heute wird meist nur noch über die nicht gefundenen Waffen gesprochen, selbst in westlichen Gesellschaften, während die dahinterliegenden Zusammenhänge kaum mehr thematisiert werden.

In westlichen Demokratien werden solche Ereignisse kritisch aufgearbeitet. Fehler haben Konsequenzen, die öffentlich verhandelt werden. In Autokratien ist das nicht der Fall. Dort kann die politische Führung die Realität nicht nur gezielt manipulieren, sondern sie ohne jede Kontrolle durch Medien, Opposition oder Öffentlichkeit vollständig nach ihren eigenen Vorstellungen formen.

Fazit:

Auch die westlichen Länder kommunizieren strategisch, beeinflussen zu ihrem Vorteil und kompensieren, um ihre Ziele zu erreichen. Ohne Frage haben in der Geschichte auch viele westliche Politiker bereits Tiefpunkte im Umgang mit der Wahrheit produziert – nicht nur in Konflikten. Das systematische Manipulieren, Infiltrieren, Desinformieren in subversiver Absicht, ohne jegliche Hemmungen und innenpolitische Konsequenzen, ist aber ohne Frage eine Kernkompetenz der Autokraten. In Wahrheit sind westliche Demokratien sogar bereits damit überfordert, auf die Herausforderung propagandistischer Einflusskampagnen und Unterwanderung durch diktatorische Regime zu reagieren, von einer proaktiven Rolle ist man hier noch weit entfernt. Vielmehr wäre es deutlich an der Zeit, adäquat auf die massiven kombinierten Angriffe autoritärer Staaten im Informationsraum zu reagieren, mit denen unsere Demokratien täglich geschwächt, gespalten und destabilisiert werden sollen.

Fake News überall?

Falschinformationen passieren, obgleich man auch die Frage des Motivs in den Raum stellen muss. Handelt es sich um Desinformation – also absichtlich, aus strategischen Motiven platzierte Falschinformation oder ist ein Fehler passiert, wurde unabsichtlich und ohne schlechte Absicht etwas Faktenwidriges verbreitet, was man als Misinformation bezeichnet?

Natürlich kann man (fast) alles, überall finden. Die Frage ist, in welchem Ausmaß. Tatsache ist: Die Meinungsfreiheit, eine Stärke der Demokratien, wurde von den Autokraten bereits vor Jahrzehnten als Schwäche erkannt, die strategische Subversion durch Desinformation, Propaganda und Manipulation möglich macht und nur begrenzte Möglichkeiten hat, das zu unterbinden.Ein weiteres Argument, dass “der Westen” Propaganda ja eben nur “subtiler” betreiben würde als autoritäre Regime lässt sich auch entkräften: Die Propagandastrategie der Diktaturen ist nämlich alles andere als eindimensional auf plumpe Fakes und Hetze beschränkt, subtile Manipulation spielt eine gewaltige Rolle und wird oft von naiven Geistern im Westen gar nicht erst erkannt oder als Problem wahrgenommen. Sie tun es offen, sie tun es subtil, sie tun es digital, sie tun es analog und das größte Problem, manche von uns helfen ihnen sogar dabei.

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Die “Vorgeschichte” zum russischen Krieg gegen die Ukraine auf dem Prüfstand