China, die leisere Propagandamacht?
Manche wollen es beschämt vergessen, andere sprechen offen und kritisch darübe: In den 70er Jahren wimmelte es auf den deutschsprachigen Unis nur so von Maoisten. Manche wurden zwar durchaus auf der lang ersparten China-Reise in die Realität zurückgeholt, doch wer diesen “Reality Check” nicht erlebt, studierte weiterhin mit religiösem Eifer die “Mao-Bibel”. Einige dieser Vertreter der pro-maoistischen Studentenbewegung sitzen heute in prochinesischen Freundschatsgesellschaften und Lobby-Vereinen. Womit wir bereits bei der ersten Parallele zum russischen Playbook der Infiltration, Subversion und Beeinflussung wären, sogenannte “Front-Organisationen”, also Einrichtungen der Zivilgesellschaft, welche vom chinesischen Staat teilweise gesteuert, aber zumindest beeinflusst oder unterwandert sind. Ein großer Unterschied zu Russland, ist die große wirtschaftliche Strahlkraft Chinas: Die ökonomische Erfolgsgeschichte der letzten Jahrzehnte macht China zu einen realen Systemkonkurrenten für die Europäische Union. Selbstverständlich gilt das weder für Menschenrechte, noch für das Recht auf freie Wahlen oder gar Meinungsfreiheit, all das ist in der Volksrepublik China nicht gegegeben. Was aber sehr wohl erwünscht ist und sogar gefördert wird, die Bewerbung Chinas durch westliche Influencer und zwar tatsächlich im digitalen Sinne, Travel Influencer spielen eine wichtige Rolle um die Situation in China reinzuwaschen. Diese greifen auf die üblichen Parolen zurück “was die westlichen Medien verschweigen” oder “hättest du gedacht, dass es in China so aussieht” (Strohmannargumente, niemand unterstellte, dass es in China überall hässlich wäre). Dieses Travel-Influencer Phänomen ist wohl aus mehreren Gründen stärker ausgeprägt als bei Russland, obwohl es hier auch Fälle gibt, wo zum Beispiel ein voller Supermarkt in Moskau gezeigt wird, als “Beweis”, dass die Sanktionen nicht wirken würden.
China hat aber, und da ähnelt es Russland, noch eine Form von “Influencern”, die es als Fürsprecher im Westen nutzen kann, Expertinnen und Experten, z.B. ehemalige westliche Journalisten und natürlich VR-China affine Sinologen.Chinesische Staatsmedien lieben es geradezu westliche “Intlektuelle” als freie Gastkommentaroren und Kolumnisten zu engagieren. Natürlich verhalten sich diese Personen dann auch außerhalb ihrer Tätigkeit für die entsprechenden Medien entsprechend. Dazu kommt noch, dass China diese Personen
auch dringend für die Propaganda nach innen braucht.





Natürlich hat China heute auch massive Ressourcen im Cyberraum zur Verfügung, die auch genutzt werden, speziell wenn es zur Verteidigung der eigenen Interessen geht. Das konnte zum Beispiel bei den Olympischen Spielen in Peking beobachtet werden, als bei Kritik an China sofort die Trolle ausgerückt sind. Die kommunistische Partei nutzt dafür aber, ähnlich wie Russland, inzwischen auch vermehrt chinesische Proxy-Firmen, die auf diese Dienste spezialisiert sind.
Inhalte sind divers
Botschaften wir die “westlichen Medien lügen nur” oder “wir brauchen die multipolare Weltordnung” und fragwürdige Positionen zum russischen Krieg gegen die Ukraine fügen sich natürlich ideal in die internationale, antiwestliche Kampagne ein. China ist das mächtigste Mitglied der BRICS+ Gruppe und schon allein deshalb daran interessiert, dass der Westen an Boden verliert. Es gibt sowohl subtile Botschaften, welche nicht leicht als Propaganda zu erkennen sind, wie auch beinahe anachronistische, simpel gestrickte Narrative. Während westliche Fürsprecher wie auch Influencer meist die eher subtilen Botschaften abdecken, verbreitete das Parteiorgan “Chinesische Volkszeitung” sehr offen prorussische und antiwestliche Narrative zum russischen Krieg gegen die Ukraine.
Das Themenspektrum reicht weiters von der “Erfolgsgeschichte Chinas”, “die multipolare Weltordnung” (pro BRICS Narrative), über regimegemäße Sichtweisen zu Tibet, den Uiguren
und natürlich zur “Taiwan-Frage”. Einige dieser Themen werden auch von westlichen “Travel Influencern” mit pro-chinesischer Schlagseite abgedeckt, während Tabuthemen wie das Tian’anmen-Massaker meist gänzlich ausgespart werden.
Im Auftrag von INVED befragte Dietmar Pichler den Politikwissenschaftler, Sinologen und Experten für chinesische Propaganda Dr. Andreas Fulda
Pichler: Wie würden Sie die Kernnarrative der chinesischen Propaganda beschreiben?
Fulda: In der offiziellen Erzählung wird Chinas angeblich einzigartige Geschichte und politisch-kulturelle Kontinuität betont. Dies soll Pekings Status als eine vorgeblich friedliebende Macht im Zentrum der Weltzivilisation unterstreichen. Die Historiographie der Volksbefreiungsarmee (VBA) veranschaulicht, wie Geschichte einseitig interpretiert und im Sinne der Machthaber instrumentalisiert wird. Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) verknüpft Geschichte und Politik in mehreren Kernnarrativen.
Chinas sogenanntes “Jahrhundert der Demütigung” wird übertrieben dargestellt, indem historische Niederlagen einseitig zur Opferrolle stilisiert werden. Westliche Nationen werden als gierig und aggressiv dargestellt, während China als friedensstrebend beschrieben wird. Dabei werden militärische Konfrontationen als defensive Aktionen gegen Eindringlinge gerechtfertigt. Die VBA zeigt eine überhöhte Wachsamkeit gegenüber den Absichten anderer Nationen, insbesondere der USA. Sie wird für die Befreiung Chinas von fremder Aggression und innerer Unterdrückung sowie für ihre unerschütterliche Loyalität zur Partei gefeiert. Weitere Narrative betonen die Fähigkeit der PLA, stärkere Gegner zu besiegen und behaupten, dass sie stets siegreich war. Strategische Bedrohungen gehen über militärische Dimensionen hinaus und umfassen auch Chinas Souveränität, Volk oder die politische Kontrolle der KPCh.
a.o. Prof. Andreas Fulda, China-Experte, Oxford
Pichler: Ohne Namen zu nennen: wie schätzen Sie die Positionen der Sinologen und anderer China Experten ein, auch wenn es um China und den russischen Angriffskrieg geht?
Fulda: Während viele Sinologen sich in ihrer Forschung auf kulturelle oder historische Themen konzentrieren, gibt es einige wenige China-Experten, die sich publizistisch oder in Standpunkten auch zur Rolle Chinas in der Geopolitik äussern.
Dabei sind mir in letzter Zeit einige Redefiguren aufgefallen, die ich für problematisch halte. Die Kommunistische Partei Chinas wird von ihnen als strategisch wichtiger Gesprächspartner aufgewertet, die de facto-Allianz zwischen dem Xi- und dem Putin-Regime hingegen heruntergespielt. Die häufig anzutreffende Annahme, dass Putin mit Hilfe von Peking zum Frieden gezwungen werden entbehrt jedoch einer empirischen Grundlage. Zwar könnte Chinas wachsender Einfluss auf Russland theoretisch eine Rolle spielen, da Moskau zunehmend von Peking abhängig ist. Allerdings zeigt die aktive Unterstützung der KPCh für Putins Krieg, dass diplomatische Gespräche allein wirkungslos bleiben werden.
Denn in Wirklichkeit unterstützt die KPCh Putins Krieg nicht nur wirtschaftlich sondern auch diplomatisch und mit Dual-Use-Technologie und Kriegsgerät, z.B. Drohnen. Warum sollte Peking Europa diplomatisch entgegenkommen, wenn Xi Putins Krieg aktiv stützt? Solche Fehleinschätzungen liegen meines Erachtens an einer methodischen Voreingenommenheit, die nicht genug selbstkritisch reflektiert wird.
Viele Sinologen haben während ihres Studiums die Grundannahme ihrer Ausbilder übernommen, man müsse China "von innen" verstehen. Und mit China ist das “offizielle China”, d.h. die chinesische Regierung gemeint. Von innen verstehen bedeutet dann auf Einladung nach China zu fahren um sich vor Ort ein eigenes Bild zu machen.
Dieses Paradigma ist in vielerlei Hinsicht überholt. Das Ziel, China “von innen” zu verstehen, ist nicht grundsätzlich falsch, doch in der Praxis illusionär, da echte Interaktion mit relevanten Akteuren aufgrund politischer Einschränkungen kaum möglich ist. Selbst vor Ort bekommen China-Experten keinen Zugang zu relevanten politischen Entscheidungsträgern. Ausserdem besteht die Gefahr, dass sie von Vertretern der Einheitsfront instruiert werden. Bei der Einheitsfront handelt es sich um ein komplexes Ökosystem des autokratischen Chinas. Wir haben es in China nie mit Einzelpersonen, sondern mit komplexen Netzwerken zu tun, deren Machtverhältnisse für Außenstehende schwer zu beurteilen sind.
Einheitsfront-Vertreter verbreiten bei Track II-Veranstaltungen und Konferenzen gezielt Narrative. Ich bin daher sehr skeptisch, was die gegenwärtige Charme-Offensive Pekings angeht. Ein Ziel der Parteipropaganda besteht zum Beispiel darin, China als stabilisierende Kraft darzustellen, man denke an die Redefigur vom “friedlichen Aufstieg Chinas”. Werden solche Botschaften nicht auf ihre ideologische und strategische Absicht hin analysiert kann dies dazu führen, dass in der Folge politische Botschaften der KPCh, bewusst oder unbewusst, repliziert werden.
Pichler: Wir danken Dr. Fulda für sein Statement!
Fazit und Ausblick
China greift auf ein breites Instrumentarium an klassischen Maßnahmen, ergänzt durch digitale Methoden der Einflussnahme, zurück. Agentennetzwerke (auch zur Einschüchterung und Überwachung von Dissidenten) wie auch westliche Fürsprecher (Einflussagenten) spielen ebenso eine Rolle wie Frontorganisationen, die pro-chinesische Propaganda- und Lobbyingarbeit leisten sollen. Der Cyberraum dient nicht nur zum offenen „Trolling“, sondern auch zur subtilen Stimmungsmache. Der chinesische Staat nutzt alle Möglichkeiten der westlichen Freiheit aus, um das Publikum in demokratischen Gesellschaften zu erreichen – etwas, das umgekehrt im totalitär kontrollierten Informationsraum der Volksrepublik China nicht möglich ist. Dadurch ergibt sich eine asymmetrische Kommunikationsbeziehung, wie man sie bereits aus den Wirtschaftsbeziehungen kennt – in Hinblick auf Investitionen und wirtschaftliche Freiheit.
Über chinesische Propaganda wird weniger gesprochen; es gibt weniger Kritik, wenn zum Beispiel Diplomaten aus der Volksrepublik China in Medien ohne Einordnung zum Interview geladen werden oder pro-chinesische Vereine einseitig das Regime relativieren oder gar glorifizieren. Das ändert allerdings nichts an der Vielschichtigkeit der Propagandamaßnahmen und dem bereits erheblichen Impact, der sich ohne Resilienzbildung zweifelsohne in den kommenden Jahren noch steigern kann, weil das Regime hier mit Sicherheit auch noch nicht alle Ressourcen ausgeschöpft hat.
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